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Ingmar Winter zum Vortrag von Professor Dieter Metzler

Die Globalisierung als uraltes Handels-Phänomen
Großes Interesse an Vortrag über Kulturtransfer von Dieter Metzler im Textilmuseum
Das Textilmuseum war bis in die letzte Nische besetzt.

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 RHEINE. Noch bis Ende Mai ist im Textilmuseum Rheine eine Sonderausstellung zu sehen, die farbenprächtige Gewänder und edle Stoffe aus der Ikat-Tradition zeigt. Ihre einzigartige Kunst der Färbe- und Webtechnik hat wahrscheinlich in China ihren Ursprung, von wo aus sie über Seidenstraßen und Seewege bis nach Afrika, Süd- und Mittelamerika und über spanische und holländische Kaufleute sogar bis nach Westeuropa gelangt ist. Eingepasst in das Faszinosum dieses frühen globalen Kulturtransfers hielt am vergangenen Mittwoch im Textilmuseum der Kultur- und Althistoriker Professor Dieter Metzler aus Münster einen interessanten Fachvortrag, der die „Textilien als Kulturträger entlang der Seidenstraßen" zum Thema hatte.

 

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Unglaublich für die vielen Zuhörer, die alle zur Verfügung stehenden Sitzmöglichkeiten zwischen den Ikat-Exponaten nutzen mussten, war das Phänomen eines riesigen Ost-West-Handels über die Seidenstraßen zu einer Zeit, als es noch außer ausdauernden Kamelen, großrädrigen Eselskarren und Lasten tragenden Händlern keine anderen Transportmittel gab. Anhand einer reichen Diaserie zeigte Dieter Metzler die Seidenstraße seit der Antike nicht als Einbahnstraße, sondern als Weg gegenseitigen Fernhandels von Handels- und Kultobjekten.

So wurde Kölner Glas in einem koreanischen Königsgrab gefunden und ein Porzellangefäß des 8. Jahrhunderts aus China in Rom, so transportierten jüdische Händler Seidenrollen und Perlen nach Europa und armenische Händler europäischen Wein in Schläuchen in das Westchina der Tang-Zeit. Der Name „Seidenstraßen" müsse so verstanden werden, sagte der Referent, dass auf ihnen ein Transport vieler Güter und Ideen in beiden Richtungen verlaufen sei. „Textilien wurden zu religiösen Botschaften", und die Zuschauer sahen Fotos von einem Buddha-Gewand und dem Kleid einer ägyptischen Göttin, von einem mittelalterlichen Priestergewand und vor allem von Beispielen der Architektur, die alle den Weg von Ost nach West und umgekehrt belegen. „Die Verbindung von Architektur und Textil ist in der Wortbedeu¬tungslehre belegt", sagte er in einem kleinen Exkurs, denn in beiden Wörtern stecke die Silbe „tek", was im Altgriechi¬schen „weben" bedeutet. Den Ursprung dieser einzigartigen Handelsverbindung sehen die Historiker in der antiken Oasen- und wichtigen Handelsstadt Palmyra, in der Textilmuster auf die Architektur übertragen wurden (an Säulen, in Reliefs).
Zur Überraschung der Zuhörerschaft „entlarvte" Metzler die selbstbewusste Aussage einer Federzeichnung, die bildlich die großen Erfindungen der Renaissance (15. Jahrhundert) darstellt. Viele hier abgebildeten Erfindungen wie Pferdesattel, Schießpulver und Kompass seien aus China transportiert, selbst der Mainzer Johannes Gutenberg, der als Erfinder des modernen Buchdrucks und der Druckerpresse gilt, habe die Kenntnis über bewegte Lettern auf Papier von China übernommen.
Den „Höhepunkt" des gegenseitigen Handels auf den Seidenstraßen hob sich der Referent bis zum Schluss auf: In einer exquisiten Bilderfolge zeigte er den übergroßen Pasyryk-Teppich, der 1949 in einem Altai-Grab am Nordrand der Seidenstraße in Zentralasien gefunden wurde. Detailvergrößerungen zeigten die Bildmotive im millionenfachen Knotengeflecht und alle Motive fanden ihren Ausgangspunkt auf griechischen Vasen. Die heute aktuelle Frage nach den Vor- und Nachteilen von Lokalisierung und Globalisierung hat der internationale Kulturtransfer schon vor unserer Zeit beantwortet.

Ingmar Winter
(aus: Münsterländische Volkszeitung v. 16. Mai 2014)

 

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